Moscheegemeinden als Orte zivilgesellschaftlichen Engagements , Datum: 18.06.2025, Format: Meldung, Bereich: Im Dialog , "Wir wollen den Menschen Hilfe und Anregungen geben"

Ehrenamtliches Engagement ist zentral für den Zusammenhalt der Gesellschaft. In Moscheegemeinden setzen sich Aktive für Bedürftige ein, beraten Eltern und engagieren sich in der Jugendarbeit. Das Projekt "Muslimisch.Sozial.Engagiert" (MSE) will dieses Engagement stärken.

Portraitbild eines Mannes Ohne Strukturen kein Engagement: Laurent Ibra engagiert sich neben seinem Beruf im Medizinmanagement ehrenamtlich als Imam. "Wir sind Teil der Gesellschaft und Teil der islamischen Vielfalt in diesem Land", sagt er. Quelle: privat

"Das Freitagsgebet erfüllen, den Ramadan halten und die Feiertage feiern, das ist wichtig, aber es reicht mir nicht", sagt Laurent Ibra von der Union der Islamisch-Albanischen Zentren in Deutschland e.V. (UIAZD) und MSE-Projektkoordinator beim teilnehmenden Verband UIAZD. Moscheegemeinden seien mehr als Orte des Gebets, sie sind auch Räume der Begegnung für und mit Menschen aller Generationen. Ibra kam 2005 als Student nach Deutschland und sieht seine Lebensaufgabe seither darin, als ehrenamtlicher Imam Strukturen in den albanischen Gemeinden aufzubauen – neben seinem Beruf im Medizinmanagement. Dabei ist er ausschließlich auf ehrenamtliches Engagement angewiesen.

Moscheegemeinden sind wichtige Akteure der Zivilgesellschaft und es gehört zu den Zielen der Deutschen Islam Konferenz, sie in dieser Rolle zu stärken. Das Projektvorhaben "Muslimisch.Sozial.Engagiert" (MSE) trägt zu diesen Zielen bei, indem es das ehrenamtliche Engagement in den Moscheegemeinden fördert. So sollen dafür die Strukturen in den Moscheegemeinden gefestigt, der innermuslimische Dialog vertieft und muslimisches Engagement für die Gesellschaft sichtbarer werden. MSE wird seit 2022 durch das Bundesministerium des Innern im Rahmen der Deutschen Islam Konferenz gefördert; Träger des Projekts ist das Goethe-Institut. Durch Angebote zur Weiterbildung können die Akteure im Rahmen von MSE ihr Engagement professioneller gestalten und dadurch an Sicherheit im Auftreten nach außen und für die Zusammenarbeit mit anderen islamischen Verbänden gewinnen. In Miniprojekten können sie ihr Engagement intensivieren.

Bei einem Workshop im März in Frankfurt am Main konnten Akteure aus den in 2025 beteiligten Moscheeverbänden erfahren, wie man Veranstaltungen effektiv plant und durchführt. Weitere Workshop-Themen in diesem Jahr sind Zuwendungsrecht und Finanzierungsfragen.

Ehrenamtliches Engagement als zentrale Ressource

"Das große ehrenamtliche Engagement der Gemeindemitglieder ist ein zentrales Element im Projekt MSE", sagt Sophia Lehmann, Projektverantwortliche beim Goethe-Institut. "Über die Ehrenamtlichen werden nicht nur wichtige und vielfältige Zielgruppen in und außerhalb von Moscheegemeinden erreicht, sondern die Verbände auch in der Stadtgesellschaft gestärkt."

In den Miniprojekten werden Veranstaltungen unterstützt, die den Zusammenhalt stärken wie etwa ein Kalligraphie-Workshop für Jugendliche in einer albanischen Gemeinde, der im Rahmen von MSE in 2024 durchgeführt wurde. Über das Erleben von Kunst konnten sich junge Menschen begegnen und austauschen. Der Wunsch nach Begegnung sei groß unter jungen Musliminnen und Muslimen, meint Laurent Ibra. Um Religion gehe es dabei nicht, sondern um kulturelle Bildung und die Vertiefung sozialer Kontakte. "Solche Angebote helfen ihnen, einen eigenen Weg in der deutschen Gesellschaft zu finden", sagt er, und gleichzeitig würden die Angebote junge Menschen ermutigen, sich selber ehrenamtlich in der Moscheegemeinde zu engagieren. "Das ist wichtig, denn wir müssen unsere Strukturen stärken, damit wir uns mehr in die deutsche Gesellschaft einbringen können. Wir sind Teil der Gesellschaft und Teil der islamischen Vielfalt in diesem Land."

Offen für alle

Portraitbild einer Frau Hilfe und Anregung: Für Adela Kazija sind Moscheegemeinden Orte, an denen Menschen sich begegnen und austauschen – egal ob sie beten oder nicht. Quelle: privat

Mit ihrem Engagement wirken die Moscheegemeinden auch über den Kreis der eigenen Mitglieder hinaus. Für Adela Kazija, MSE-Projektkoordinatorin beim teilnehmenden Verband der Islamischen Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland e.V. (IGBD), ist diese soziale Verantwortung für alle zentral. "Wir wollen die Moscheegemeinden zu Orten machen, an denen Menschen Hilfe und Anregungen für ihr Leben erhalten", sagt Kazija, die an ihrem Wohnort Gaggenau bei Karlsruhe und bundesweit für die IGBD aktiv ist. In den IGBD-Gemeinden werden die Imame von den Mitgliedern bezahlt, alle anderen engagieren sich ehrenamtlich.

Die Moscheegemeinden stünden vor wichtigen sozialen Herausforderungen, sagt Kazija. Elternberatung, Stärkung von Frauen und Jugendarbeit seien sehr wichtig. Doch besonders liegt Kazija die Lebenssituation von Migrantinnen und Migranten im Rentenalter am Herzen. "Sie fühlen sich in Deutschland manchmal einsam, können aber auch nicht in ihr Herkunftsland zurückgehen, weil ihre Familien hier leben", sagt Kazija. Viele würden sich aus Sorge, sie könnten den Jüngeren in der Gemeinde zur Last fallen, zurückziehen. Dass sie eine ältere Frau in ihrer Gemeinde zur Teilnahme am Fastenbrechen ermutigen konnte, macht Kazija daher besonders froh.

"Wir müssen die Älteren eigens ansprechen, manche Gemeinden haben auch Angebote wie zum Beispiel Seniorentreffs für alle, egal ob sie beten oder nicht." Bei allen Angeboten seien nicht nur Bosniaken willkommen. "Unsere Angebote und Projekte sind offen nicht nur für alle Muslime, sondern für Interessierte aus der gesamten Gesellschaft unabhängig von ihrer religiösen Orientierung", sagt sie. Die Gemeinde bietet zum Beispiel auch Nachbarschaftstreffs oder Kulturabende an, die sich an die gesamte Stadtgesellschaft richten.

Soziale Verantwortung für die gesamte Gesellschaft

Portraitbild eines Mannes Eine warme Mahlzeit für Bedürftige: Zaheer Ahmad ist für das Projekt "Soziale Küche" verantwortlich. Helfen hält er für seine Pflicht als Bürger, es braucht aber auch die entsprechenden Kompetenzen Quelle: Claudia Mende

Nicht nur Muslime, die gesamte Gesellschaft profitiert vom ehrenamtlichen Engagement der Moscheegemeinden für Bedürftige. Das wird u.a. deutlich beim Projekt "Soziale Küche", das Wohnungslose mit Nahrung und Hygieneartikeln versorgt. Seit August 2024 ist MSE-Projektkoordinator Zaheer Ahmad beim 2018 gegründeten Wohlfahrtsverband An-Nusrat e.V. der Ahmadiyya Muslim Jamaat Deutschland (AMJ) KdöR für das Projekt verantwortlich. Er koordiniert die Arbeit der überwiegend ehrenamtlichen Helfer, die an 19 Standorten in ganz Deutschland im Einsatz sind, ist aber selbst auch direkt an der Basis aktiv.

Mit anderen Aktiven ist er oft in seiner Heimatstadt Neuss unterwegs, um Bedürftige zu versorgen und erlebt immer wieder Dankbarkeit, gerade bei älteren Menschen. "Eine warme Mahlzeit ist für viele Bedürftige besonders wichtig", sagt er. Ahmad, der in Pakistan geboren und in Köln aufgewachsen ist, hält es für seine Pflicht, Menschen in Not zu helfen. Aber um die Hilfe zu organisieren bedürfe es auch entsprechender Kenntnisse.

Soziales Engagement in den Moscheegemeinden ist eine wichtige Ressource. Das Projekt "Muslimisch.Sozial.Engagiert" will diesen Einsatz für die Gesellschaft stärken und die Ehrenamtlichen qualifizieren. Dazu ist auch der Austausch unter den Moscheegemeinden wichtig. Ein Fachtag im Herbst wird diesen Dialog zwischen den teilnehmenden Verbänden weiter vertiefen.






"Muslimisch.Sozial.Engagiert" (MSE)

"Muslimisch.Sozial.Engagiert" (MSE) ist ein Projekt in Trägerschaft des Goethe-Instituts, an dem 2025 drei islamische Dachverbände teilnehmen: AMJ KdöR, IGBD e.V. und UIAZD e.V.. Die Verbände, die sich unter anderem durch Jugend- und Elternarbeit, Frauenprojekte sowie den Einsatz für Bedürftige für den gesellschaftlichen Zusammenhalt einsetzen, sollen dadurch weiter gestärkt und ihr ehrenamtliches Engagement in der Gesamtgesellschaft sichtbarer werden. Außerdem gehören Weiterbildungsangebote und die Förderung von Miniprojekten zum Projekt MSE. Das Projekt startete in 2022 und wird vom Bundesministerium des Innern im Rahmen der Deutschen Islam Konferenz gefördert. Von 2022 bis 2024 nahm auch der Verband LIB e.V. an der Förderung teil.

Autorin: Claudia Mende